Radical Chic für Bedürftige Seite 3


Einige Anmerkungen zu „after the butcher“ bei „based in berlin“


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Ob das eigene Urteil grundsätzlich besser begründet ist als das fremde, steht hier gar nicht zur Debatte. Soviel ist klar, dass ich mit meiner geistigen Leistung einem Urteil anderer gar nicht entgehen kann, sobald ich mit meinem Produkt in einen wirtschaftlichen Kreislauf eintrete, in diesem Fall mich mit meinem Kunstwerk in den Kunstmarkt begebe. Im Kunstmarkt setze ich meine Leistung einer monetären Bewertung aus; ob an meinem Werk ein Preisschild klebt oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle. Gewiss spielt aber bei der Anerkennung meiner Leistung eine positive Rolle, wenn ich als Künstler und Kurator an einem etablierten Ort wie den Kunstwerken in der Auguststrasse eine Veranstaltungsreihe organisieren darf, selbstverständlich steigt damit der Marktwert meiner Produktion. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen, denn es ist einfach eine Tatsache, dass es im wirtschaftlichen Leben um die Ermittlung von Marktwerten im Sinne von Angebot und Nachfrage gibt. Dass in den letzten Jahren zunehmend Künstler die Aufgabe von Kuratoren übernehmen, so wie das bei Thomas Killper der Fall ist, hat eben zur Folge, dass die Eingriffsmöglichkeiten der Künstler auf das Marktgeschehen zunehmen.

In welcher Relation der jeweilige Marktwert zur eigentlichen („objektiven“) Qualität des Kunstwerks steht und wie er sich aus ihm generiert, ist eine interessante Frage und als solche Arbeitsgrundlage von Galerien und Auktionshäusern. Entziehen kann sich ihr keiner, der im Kunstbetrieb agiert, und hierin liegt das eigentliche Problem des subjektiv-objektiv-Streites: in der Anerkennung der Tatsache, das man in der Gesellschaft nicht nur geistiges Individuum, sondern auch wirtschaftendes Individuum ist. Als geistiges Individuum steht man nicht in Konkurrenz zu anderen, als wirtschaftendes schon. Als geistiges Individuum ist man in der Tat einzigartig und es ist richtig, diese Einzigartigkeit zu unterstreichen. Als wirtschaftendes Subjekt unterliegt man zwar nicht mir seiner Person, doch mit seinem Produkt dem Urteil der anderen Marktteilnehmer, welches den Bedarf nach dem Produkt widerspiegelt –  und dieser Bedarf wird in letzter Instanz zu einem numerischen Geldwert abstrahiert. Die Preisbildung ist das Lebensprinzip des Marktes.

Identifiziert man sich als Künstler oder Kurator ganz mit seinem Produkt (und das wird in der Kunst erwartet), dann kann es passieren, dass man die Marktgesetze als solche verwerflich findet, selbst dann, wenn sie einem einen Vorteil verschaffen. Der Markt soll einfach nicht da sein! Ja, wären wir als Individuum Selbstversorger, jeder ein Robinson Crusoe, dann bräuchten wir keinen Markt. Da wir aber unsere Bedürfnisse als Konsumenten nicht selbst befriedigen können, sondern im wirtschaftlichen Austausch mit anderen stehen müssen, somit auf den Markt angewiesen sind, so soll sich der Markt wenigstens diskret im Hintergrund halten, ganz wie ein Butler, der unaufgefordert zur rechten Zeit das Rechte tut.

Agiert er weniger diskret oder sogar noch so unsensibel wie im Falle des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit mit seinem Begriff der „Leistungsschau“, dann generiert das den „Stress“ von dem Thomas Kilpper spricht. Deshalb fordert er Verständnis für seine Ablehnung der „Leistungsschau“, – unausgesprochen fordert er aber, dass der Künstler auch ohne Anerkennung seines Werks gefördert werde. So heißt es im Text:

„wir müssen dies hier betonen weil eine korrektur der begrifflichkeit und damit ein verständnis für den berechtigten protest von seiten der politik nicht nur ausblieb sondern insbesondere der regierende bürgermeister klaus wowereit stur und ignorant daran kleben bleibt und die ausstellung trotz der titeländerung im abgeordnetenhaus jüngst wieder als ,leistungsschau’ bezeichnet hat“.

Vielleicht hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kein besonderes Glück gezeigt mit der Verwendung des Wortes „Leistungsschau“. Von der Sache her ist ihm jedenfalls kein Vorwurf zu machen. Wie sollte man die Verwendung von 1,7 Millionen Euro öffentlicher Mittel sonst rechtfertigen, wenn nicht über eine Präsentation der besten Werke?

Die alternative Antwort findet sich in der Textcollage von Christoph Bannat und Axel Gerber: über die Präsentation der eifrigsten Gesellschaftskritiker. Als Künstler bekommt man Geld, weil man soziale Kritik übt und Minderheiten verteidigt. Man macht sich zum Anwalt all derer, die man als marginalisiert einschätzt, einschließlich seiner selbst. Christoph Bannat und Axel Gerber zählen Probleme und Minderheiten in ihrer Textcollage auf: steigende Mieten, Ausländer, Obdachlose ... die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Man protestiert erstens, fordert zweitens und lädt drittens zur Diskussion.

Wie geht man aber nun mit der paradoxen Situation um, dass man aufgrund seiner Leistung (wie wir vermuten wollen) Geld genau von der Seite bekommt, die man kritisiert, also der „politik“?

Man verhält sich einfach so wie vorher, kritisiert so, als ob man sich nicht auf dem Weg ins Establishment befände, das heißt, verfestigt seine Position des Kritikers, wirft unentwegt sein „J’accuse“ in die Runde. Ich kann verstehen, dass man als Künstler wie als Nicht-Künstler Kritik am gemeinschaftlichen Leben übt; schließlich gibt es genügend Kritikwürdiges in unserer Gesellschaft. Schwerer einzusehen ist für mich die Tatsache, dass man dann, wenn man die Chance bekommt, seine Ideen in einem größerem Forum zu präsentieren, der Meinung ist, mit einigen oberflächlichen Begriffen wie „engagement“, „offener austausch“, „diskussionsprozess“ Abhilfe zu schaffen.

Was unterscheidet eigentlich den Künstler vom Soziologen, der ja genau dieselben gesellschaftlichen Probleme auf seiner Agenda hat? Der Künstler hängt im Sinne einer Kritik an „finanziellen engpässen“ ein Portrait von Klaus Wowereit an die Wand. Der Soziologe bemüht sich (hoffentlich), in das ausgesprochen komplexe Gebiet von wirtschaftlichen und finanziellen Kreisläufen einzudringen und strukturelle Zusammenhänge zu verstehen; zum Beispiel die Natur des Geldes oder die Grundlagen des produktiven Schaffens. Allerdings ist das nicht so bequem wie die Anfertigung eines fotografischen Portraits, dessen Posenhaftigkeit vorgeblich den ironischen Blick seiner Autoren beweist.

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