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Trinität, Glaube und Wissen


7. Glaube und Wissen

Über die Jahrhunderte versuchten die Kirchenlehrer, die maßgeblichen Theologen für die Entwicklung der Gedankenguts der katholischen Kirche, die Menschwerdung des Gottes und seinen Tod als Menschen gedanklich nachzuvollziehen, aber nicht abstrakt, wie wir das heute tun, sondern als innerliche Erfahrungen, oft mit Bekehrungen verbunden (hellseherischen Erlebnissen).

Das Zeugnis des Paulus war Beweis für die „Richtigkeit“ des Glaubens, doch sollte der Glaube kein blinder Glaube sein: er sollte eine wissender Glaube sein. Für Augustinus, der zweifelte, war der Glaube die Grundlage der Erkenntnis.

Um ein Verhältnis von Glauben und Wissen zu gewinnen, wurden außerordentlich komplexe Gedankengänge entwickelt, die Elemente aus der griechischen Philosophie aufnahmen. Insbesondere  wurde das Zusammenwirken der drei menschlichen Glieder Leib, Seele und Geist untersucht, die sogenannte Trichotomie, und ihr Zusammenspiel mit höheren und niederen Welten.

Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Seelengliedern (“Bestandteilen“ der Seele) und die „Stellung“ des Geistes zu ihnen ist Voraussetzung für ein tiefergehendes Verständnis der Trinität. Anders gesagt, die kirchendogmatische Beschränkung  auf eine menschliche Dualität Leib und Seele, wobei die Seele den Geist „irgendwie“ mitbeinhaltet, ist dem Verständnis der Trinität nicht förderlich; sie macht es auch notwendig, die Trinität für die Gläubigen in Dogmen zu fassen, die die richtige Auffassung dekretieren.

Über solche Dogmen haben sich Theologen wie Thomas von Aquin hinweggesetzt. Mit seiner streng logisch aufgebauten Scholastik beginnt aber auch die Scheidung von Glauben und Wissen: der Glaube basiert auf Offenbarung und das Wissen auf Vernunft. Doch widersprechen sich die beiden bei Thomas von Aquino nicht, denn er erhält seine Gedanken als Offenbarungen und kann sie mit der Vernunft durchdringen.

Im den folgenden Jahrhunderten findet die Vernunft neue Prinzipien mit der Beobachtung der sich den Sinnen zeigenden „Dinge“. Es entsteht das, was man im heutigen Sinne „Wissenschaft“ nennt: die modernen Vorstellungen der Materie (Masse und ihrer Wirkung nach Gesetzen wie Gravitation etc). Doch erst mit der Aufklärung, insbesondere durch Kant, gerät der Glauben völlig in den Bereich des „Irrationalen“: ihm wird überlassen, was vermeintlich nicht zu erkennen ist. „Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“ schrieb Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“.

Die Kirche, genauer, die katholische Kirche, sieht sich aber zuständig für die Glaubenswissenschaft, und zwar – gemäß der Enzyklika Fides et Ratio von Papst Johannes Paul II. (1998)

    … im Lichte eines methodischen Doppelprinzips: dem auditus fidei und dem intellectus fidei. Durch das erste gelangt sie in den Besitz der Offenbarungsinhalte, so wie sie in der Heiligen Überlieferung, in der Heiligen Schrift und im lebendigen Lehramt der Kirche fortschreitend ausgefaltet worden sind. Mit dem zweiten Prinzip will die Theologie den Anforderungen des Denkens durch die spekulative Reflexion entsprechen.

    http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_14091998_fides-et-ratio.html

Im Evangelii Gaudium, dem Apostolischen Schreiben des Papst Franziskus über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013) heißt es unter Punkt 243:

    Die Kirche verlangt nicht, den bewundernswerten Fortschritt der Wissenschaften anzuhalten. Im Gegenteil, sie freut sich und findet sogar Gefallen daran, da sie die enorme Leistungsfähigkeit erkennt, die Gott dem menschlichen Geist verliehen hat. Wenn die Wissenschaften in akademischer Ernsthaftigkeit im Bereich ihres spezifischen Gegenstands verbleiben und so im Zuge ihres Fortschritts eine bestimmte Schlussfolgerung deutlich machen, die von der Vernunft nicht verneint werden kann, widerspricht der Glaube diesem Ergebnis nicht. Die Glaubenden können ebenso wenig beanspruchen, dass eine ihnen angenehme wissenschaftliche Meinung, die nicht einmal ausreichend bewiesen ist, das Gewicht eines Glaubensdogmas gewinnt. Bei manchen Gelegenheiten gehen aber einige Wissenschaftler über den formalen Gegenstand ihrer Disziplin hinaus und übernehmen sich mit Behauptungen oder Schlussfolgerungen, die den eigentlich wissenschaftlichen Bereich überschreiten. In einem solchen Fall ist es nicht die Vernunft, die da vorgeschlagen wird, sondern eine bestimmte Ideologie, die einem echten, friedlichen und fruchtbaren Dialog den Weg versperrt.

    http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html

Die Kirche unterscheidet somit zwischen drei „Arten“ von Wissenschaften: der Theologie als der Wissenschaft vom Glauben, der Philosophie als der Wissenschaft vom spekulativen Denken und der empirischen Wissenschaft, die sich mit der Erforschung dessen beschäftigt, was uns die Sinne vermitteln – also den Naturwissenschaften. Dem gegenüber hat die Wissenschaft vom Glauben als Gegenstand das, was als Offenbarung gehütet und tradiert wird. Der Glaube ist Gegenstand der Lehrmeinung.

Mit anderen Worten, die Theologie nimmt sich die Philosophie zu Hilfe – so gut sie kann –, um ihren Glaubensinhalt gegenüber der Empirie zu schützen und zu verteidigen. Er ist nicht nur ihr Eigentum, sondern die Kirche ist allein autorisiert, sich dazu verbindlich zu äußern. „Denn die Theologie stützt sich von ihrem Wesen her bei der Erforschung der Wahrheit auf das Merkmal der Kirchlichkeit und auf die Tradition des Gottesvolkes mit ihrer Vielfalt an Wissen und Kulturen in der Einheit des Glaubens.“ (Fides et Ratio).

Und zum Merkmal der Kirchlichkeit heißt es:

    Niemand darf aus der Theologie so etwas machen wie eine einfache Sammlung von eigenen persönlichen Auffassungen; sondern jeder muß darauf bedacht sein, in enger Verbindung zu bleiben mit dem Sendungsauftrag, die Wahrheit zu lehren, für die die Kirche verantwortlich ist.

    Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979).

Es wäre interessant zu erfahren, welche Behauptungen oder Schlussfolgerungen für Papst Franziskus solche sind, die „den eigentlich wissenschaftlichen Bereich überschreiten“.

Hat aber die empirische Wissenschaft doch etwas zu sagen? Wenn uns der Glaube nicht zum verbürgten Wissen der empirischen Wissenschaft bringt, vielleicht bringt uns dann die empirische Wissenschaft zum Glauben?




 (E-E) Evgenij Kozlov, Kрасав ицы/ / цa / Der / Die Schönheit Druck auf Leinwand, übermalt, 155 x 10 cm, 2008 / 2019. Detail Aus dem Zyklus Bek XX / Jahrhundert XX

(E-E) Evgenij Kozlov,
Kрасав ицы/ / цa / Der / Die Schönheit
Druck auf Leinwand, übermalt, 155 x 10 cm, 2008 / 2019. Detail
Aus dem Zyklus Bek XX / Jahrhundert XX




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Veröffentlicht 6. Dezember 2021