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Im Frühjahr 1985 trafen sich die "Novye Kompozitory / New Composers" Valerij Alakhov und Igor Verichev sowie die "Novye Khudozhinki" (New Artists / Neuen Künstler) Timur Novikov und Evgenij Kozlov in der Wohnung von Johann, einem jungen Niederländer, der sich für seinen längerfristigen Aufenthalt in Leningrad eine Wohnung gemietet hatte.
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AR71
Collage mit kolorierter Fotografie, 1985. Im Bild Igor Verichev |
Durch Essen, Wein und gute Gesellschaft stimuliert, griffen sie zu Filzstiften und begannen, Johanns Sammlung sowjetischer Propaganda-Plakate zu verschönern.
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AR41
Timur Novikov
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Wie viele Ausländer hatte Johann eine Vorliebe für diese exotischen Gegestände entwickelt, im Gegensatz zu den Einheimischen, die in der Regel versuchten, diesenTypus von Massenproduktion mit seinem altertümlichen Design und pathetischen, stereotypen Slogans (Frieden der Welt) einfach zu ignorieren. Als Evgenij Kozlov seine Kamera hervorholte und zu fotografieren begann, wurde ihre gemeinsame Kunstaktion zu einem spontanem Happening, und das kleine phantasielos eingerichtete Zimmer verwandelte sich in seine Bühne.
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AR65
Johann, Timur Novikov, Igor Verichev
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Mit einer Schaumlöffel als Stab, einem Topf als Helm einem Deckel als Schild inszenierten sie spielerische und elegante Kampfposen, die in gewisser Weise an Ritterturniere erinnerten, allerdings begleitet vom Schlachtruft der "Neuen Künstler": E - E (yeah-yeah). Gemeinsam mit "ASSA" steht "E-E" für eine ganze Epoche und kann in etwa gleichgesetzt werden mit: wir sind agressiv, aber nicht destruktiv. Unsere Agressivität ist die natürliche schöpferische Agressivität des Künstlers, die das Alte zurückweist und das NEUE schafft. Sie ist aufregend, kühn und wirklich.
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Wenn man sich die Propaganda-Poster unter diesem Gesichtspunkt anschaut, kann man einen interessanten Vergleich ziehen. Während die Losungen der Partei das Bild eines Landes vermitteln, welches sich seiner ständig selbst versichern muß (Der gemeinsame Wille der Völker - Frieden!), weist die körperlich und geistige Präsenz der Künstler - provoziert und eingefangen durch Evgenij Kozlovs Kamera - auf deren geistige Unabhängigkeit hin.
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AR42
Timur Novikov. die Fotografie dient als Vorlage zum Gemälde "Timur zu Pferd"
zum Gemälde/Katalogcover "Timur na Kone" (Timur zu Pferd) |
Als Evgenij Kozlov seinen Film entwickelte und dann sorgfältig mit einem Nagel und einem Skalpell die noch feuchte Emulsion der Negative bearbeitete, hat er dieses Erscheinung einer Verwandlung unterzogen. Durch die Einfügung neuer Merkmale erweitert er den Kommunikationsbereich der einzelnen Künstler, das heißt, er macht sichtbar, was er als ihr spirituelles Gegenstück empfindet.
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Text: Hannelore Fobo
Zuerst veröffentlich in Na Dne 16/2001, St. Petersburg
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AR55
Igor Verichev, Timur Novikov
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