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(E-E) EVGENIJ KOZLOV "Die Sammlung 2x3m"Kuratorin: Hannelore FoboText und Dokumentation: Hannelore Fobo, April 2019 |
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Die Berliner Jahre
„Das Russische Feld Nr. 2“ – das wir meistens kurz „Das Russische Feld“ nannten – befand sich in einer ehemaligen Aufzugsfabrik in der Chausseestr. 34/35. Hier, nördlich des historischen Stadtkerns, entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Industriestandort, das „Feuerland“. Als Berlin nach dem zweiten Weltkrieg geteilt wurde, kam dieser Teil der Stadt zu Ost-Berlin. Die einstige Aufzugsfirma Flohr wurde verstaatlicht, blieb aber zu DDR-Zeiten Produktionsstandort von Aufzügen. Nach der Wiedervereinigung 1990 kam das Gebäude in den Besitz der Firma Otis, die die Firma Flohr mittlerweile übernommen hatte. Otis hatte seinen Standort in Reinickendorf, einem West-Berliner Bezirk, stellte die Produktion in der Chausseestraße ein und vermietete die Flächen für eine Übergangszeit an Gewerbetreibende, Künstler und Musiker, bis das gesamte Areal 2008 verkauft wurde. Heute befinden sich dort Wohnungen und ein Hotel. Den Kontakt zum Unternehmen Otis hatten wir bereits 1993 hergestellt. Mit viel Engagement war es Evgenij Kozlov und mir gelungen, 1994 eine Ausstellung Petersburger Künstler in der Zentrale in Reinickendorf zu organisieren, wobei Otis auch als Sponsor für den Ausstellungskatalog auftrat mehr >>. Im Anschluss daran konnten wir bei Otis in der Chausseestraße zu günstigen Konditionen einen Raum anmieten und die Fläche allmählich erweitern. Mit der Zeit standen uns insgesamt 400 qm zur Verfügung – äußerst luxuriöse Bedingungen, nach heutigen Standard. Insofern passte der Name „Das Russische Feld“ hervorragend, besonders, weil wir planten, die Räume auch Gastkünstlern aus Russland zur Verfügung zu stellen.
Einziger Wermutstropfen: aus Sicherheitsgründen musste das gesamte Gelände immer um Mitternacht verlassen werden. Für jede Veranstaltung und jeden Aufenthalt nach 24.00 Uhr mussten wir eine Sondergenehmigung beantragen und die Kosten für den Wachschutz nach Mitternacht übernehmen. Es war also nicht möglich, im „Russischen Feld“ die Nacht durchzuarbeiten oder dort zu schlafen. Das hatte wiederum zur Folge, dass wir Künstler dort nicht einquartieren konnten. Vermutlich hätten wir sonst eine Pension eröffnen müssen, denn wir hatten häufig Besucher, die wiederum ihre Freunde mitbrachten. Das umfangreiche Gästebuch aus dieser Zeit gibt Auskunft darüber. Schließlich entschied sich Evgenij Kozlov dafür, an der Tür zum Atelier ein Schild anzubringen mit der Aufschrift „Do not disturb, please“ und Besuche nur noch nach telefonischer Vereinbarung zu empfangen. Die Balance zwischen Eigennutzung und Fremdnutzung war schwierig, insbesondere bei großen Veranstaltungen. Für die Organisation und Durchführung der Modenschau von Linda Harper, die im selben Haus ihr Atelier hatte, aber keinen Platz für einen Laufsteg, nahm ihr Team das Atelier zwei komplette Wochen in Beschlag.
Unsere Sorge galt immer der Sicherheit der Kunstwerke. Diverse Partys, beispielsweise die mit Bob Young, dem Betreiber des berühmten Club 90˚, hinterließen Berge von leeren Gläsern und Flaschen an allen möglichen und unmöglichen Stellen.
Im Grunde genommen hätten wir uns entscheiden müssen zwischen einer kommerziellen Nutzung der Räumlichkeiten und einer Nutzung als Atelier. Abgesehen davon, dass erstere aufgrund unseres Mietvertrags schwierig gewesen wäre, stand für uns ganz klar die Kunst im Vordergrund. Im Berliner „Russischen Feld“ konnte Evgenij Kozlov große Zyklen beginnen und durchführen – größer noch als im Leningrader „Russischen Feld“. Einer der ersten großen Zyklen war „Miniaturen im Paradies“ von 1995, sechzehn „Miniaturen“ im Format von jeweils 5 x 2 Meter, die wir an Fahnenmasten um die Berliner Siegessäule hissten mehr >>. Was der Künstler in Petersburg verloren hatte, fand er in Berlin. Mit anderen Worten, Kozlovs künstlerische Projekte profitierten von der spezifischen Situation der Nachwendezeit in Berlin, den neunziger Jahren. Wir fühlten uns gewissermaßen als Begünstigte des Schicksals (wohl wissend, dass diejenigen, die bis 1990 in denselben Räumen gearbeitet hatten, die Situation anders sahen), und wollten andere an dieser Gunst teilhaben lassen – in dem Maße, wie es uns möglich war. Daher findet sich auf der Einladung zur dritten Ausstellung der „Sammlung 2x3m“ unter dem Namen des Ateliers der Zusatz „Atelier von Evgenij Kozlov. Ausstellungsraum und Gastatelier für Künstler aus Sankt Petersburg". Neben Ausstellungen, Filmabenden und Konzerten lag uns insbesondere die Weiterführung der „Sammlung 2x3m“ am Herzen.
Zwischen 1994 und 1999 entstanden verschiedene Werke für die „Sammlung 2x3m“ im „Russischen Feld Nr. 2“. Es handelte sich überwiegend um Künstlerinnen und Künstler, mit denen Kozlov seit seiner Petersburger Zeit befreundet war: Franz Rotvald, Olga Florenskaya, Andrius Venclova (Ventslova), Boris Kazakov.
Andere Künstler brachten ihre Werke ins Atelier, beispielsweise Oleg Kulik, der seine Fotoarbeit 1996 fertigstellte, als er sich mit einem Künstlerstipendium in Berlin aufhielt. Während Timur Novikovs Besuch in Berlin 1996 entstand seine gemeinsame Arbeit mit Anastasia Kojoukhova (Nastasja Wiedemann) und Wladimir Wiedemann „Cool Kids Can Wait“, die ebenfalls Teil der „Sammlung 2x3m“ wurde. Zum Teil übergaben uns die Künstler auch Werke, die unabhängig von der Sammlung entstanden waren, beispielsweise die Papierskulptur von Andrey Khlobystin „ U.S.A (Schatten)“ von 1994 (siehe Artikel in art, 2/96 >>). Auf diese Weise umfasste die Sammlung nach und nach nicht nur Werke in einer Vielzahl von Medien und Techniken – Öl auf Leinwand, Collage auf Papier und Stoff, Fotografie –, sondern auch das Format erfuhr Variationen.
Vladimir Kustov brachte uns 2007 für die „Sammlung 2x3m“ eine fünfteilige Arbeit aus dem Jahre 1994. „Zwillinge“ hat eine Größe von insgesamt 145 x 500 cm. Das absolut größte Gemälde der Sammlung ist Bob Koshelokhov’s „Drei Schönheiten“ mit 3,20 auf 5,40 m. Er hat es vermutlich bereits Ende der 1980er Jahre gemalt.
Die jüngste Arbeit der Sammlung ist von 1999. Es handelt sich um Boris Kazakovs Gemälde „Der Goldene Bär“, gemalt im „Russischen Feld“ in den Tagen der Berlinale, zu der Künstler und Filmemache 1999 mit einem experimentellen Film eingeladen war.
Während wir einerseits glücklich darüber waren, dass die Idee der „Sammlung 2x3m“ weiterhin Anklang fand und sie einen imposanten Umfang erreichte, wurde es im selben Maße schwieriger, Ausstellungen zu realisieren. Das „Russische Feld“ erwies sich mittlerweile als zu klein dafür. Eine Ausstellung aller Werke an einem anderen Ort zu finanzieren, überstieg jedoch unsere Möglichkeiten. Ungeachtet aller Probleme hat Evgenij Kozlov die „Sammlung 2x3m“ nie als abgeschlossen betrachtet. Eine neue, umfassende Ausstellung der „Sammlung 2x3m“ gäbe zweifellos die Möglichkeit, einige Lücken zu schließen, nicht nur im Hinblick auf Moskauer Kunst. Auf dem Flyer zur Ausstellung 1995 findet sich eine spezielle Rubrik mit Namen von Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Zusage gegeben hatten. Während einige in der Tat heute mit ihren Werken in der Sammlung vertreten sind, darunter Olga Florenskaya, Vita Buivid und Igor Ryatov, würde er andere gerne an ihr Versprechen erinnern. Man könnte auch darüber nachdenken, die Sammlung mit ihrem speziellen Format mit der nächsten Generation russischer Künstler weiterzuentwickeln – eine Frage der Perspektive. |
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Veröffentlicht am 24. April 2019 |
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